Rechtsanwalt München

Chronische Wahnvorstellungen: Die Testierfähigkeit der Erblasserin muss gesondert geprüft werden

Insbesondere bei privatschriftlichen Testamenten und ungewöhnlichen Erbeinsetzungen werden die Testierfähigkeit und damit die Wirksamkeit des Testaments immer wieder angezweifelt. Dabei spielt die Beweisbarkeit vor Gericht eine entscheidende Rolle.


Eine Frau litt unter Wahnvorstellungen und war davon überzeugt, dass Diebe wiederholt in ihr Haus einzubrechen versuchten. Sie zahlte daher mehrere Tausend Euro an ein Brüderpaar, das sich als Detektive ausgab und ihre Wohnung mit Kameras und anderen Sicherheitsvorkehrungen ausrüstete. Kurz vor dem Tod der Frau setzte sie die beiden Männer in einem handschriftlichen Testament als Erben ein. Ihre Verwandten zweifelten die Wirksamkeit des Testaments an.


Das Gericht wies darauf hin, dass Testierunfähigkeit nicht nur vorliegt, wenn der Erblasser sich keine Vorstellung davon macht, überhaupt ein Testament zu errichten oder dessen Inhalt und Tragweite nicht einordnen kann. Die Testierunfähigkeit liegt auch dann vor, wenn allein die Motive für die Errichtung des Testaments auf einer krankheitsbedingten Unfreiheit beruhen. Ein Sachverständigengutachten, das bescheinigte, dass die Frau unter Wahnvorstellungen gelitten, aber auch lichte Momente gehabt habe, lässt nicht darauf schließen, dass sie das Testament in solch einem lichten Moment verfasst hat. Vielmehr sind bei chronischen Wahnvorstellungen klare Momente praktisch ausgeschlossen. Das Gericht verwies daher das Verfahren zur weiteren Aufklärung an die Vorinstanz zurück.


Hinweis: Grundsätzlich muss derjenige, der sich auf die Testierunfähigkeit des Erblassers beruft, diese auch darlegen und beweisen. In diesem Urteil wurde jedoch klargestellt, dass bei entsprechenden Anhaltspunkten für eine chronische psychische Erkrankung von Seiten der Gerichte ausdrücklich geprüft werden muss, ob der Erblasser bei Errichtung des Testaments tatsächlich testierfähig war.



Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 17.08.2017 – 20 W 188/16

zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 11/2017)

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