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[:de]Wechselbezügliche Verfügungen: Witwe darf nach dem Tod des Mannes trotz gemeinschaftlichen Testaments ein eigenes errichten[:en]No translation available[:]

[:de]Ein gemeinschaftliches Testament bindet die (Ehe-)Partner grundsätzlich auch nach dem Tod einer der Partner, so dass der Längerlebende nicht mehr frei über das Vermögen verfügen kann. Dies gilt jedoch nur für wechselbezügliche Verfügungen – also solche, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre und nach dem Willen beider Erblasser miteinander stehen und eben fallen sollen.

Ein Ehepaar hatte ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem es sich gegenseitig zu Erben einsetzte und regelte, dass „der Längerlebende berechtigt (ist), die Schlusserbfolge zu bestimmen“. Nach dem Tod ihres Mannes errichtete die Frau dann ein eigenes, entsprechend einseitiges Testament. Dessen Wirksamkeit zweifelten die Erben jedoch an.

Das Gericht entschied, dass die Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen nicht zur Aufhebung oder Minderung der Testierfähigkeit, sondern bloß zur Beschränkung der Testierfreiheit führt und nicht die formelle Nichtigkeit späterer einseitiger Verfügungen zur Folge hat. Eine spätere einseitige Verfügung ist nur insoweit unwirksam, als sie in Widerspruch zu einer wechselbezüglichen Verfügung steht. Hier war die wechselbezügliche Verfügung jedoch durch den Tod des Ehemannes gegenstandslos geworden, da er sie nicht mehr beerben konnte. Nach dem Tod ihres Ehemannes war die Frau somit nicht mehr an ihre zu seinen Gunsten getroffene Erbeinsetzung aus dem gemeinschaftlichen Testament gebunden und konnte ein eigenes Testament errichten.

Hinweis: In diesem Fall enthielt das gemeinschaftliche Testament nur Regelungen für den ersten Erbfall, so dass der überlebende Ehegatte die Erbfolge nach dem Tod des Partners frei in einem neuen Testament bestimmen konnte. Häufig enthalten solche Testamente jedoch auch Regelungen für die Zeit nach dem Tod des zweiten Partners. Dann muss genau geprüft werden, inwieweit die Regelungen wechselbezüglich sind und welchen Entscheidungsspielraum der Längerlebende dann noch hat.

Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 26.02.2018 – 6 W 4/18

zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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Grenzüberschreitender Nachlass: Entscheidungen in Erbsachen obliegen dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsorts

[:de]Häufig haben erbrechtliche Angelegenheiten einen grenzüberschreitenden Bezug – etwa wenn der Nachlass sich in verschiedenen Ländern befindet oder der Erblasser eine andere Staatsangehörigkeit hat, aber in Deutschland lebt. Für die Regelung solcher Sachverhalte gibt es in den EU-Mitgliedstaaten die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO). Die EuErbVO trifft dabei keine eigenen inhaltlichen Regelungen, sie bestimmt nur, welche nationale Erbrechtrechtsordnung auf einen Erbfall mit EU-Auslandsbezug zur Anwendung kommt.

Der Erblasser war französischer Staatsbürger, der in Frankreich lebte. Er hinterließ seinen beiden Söhnen einen Nachlass, der sich sowohl in Frankreich als auch in Deutschland befand. Einer der Söhne beantragte daraufhin beim Berliner Amtsgericht Schöneberg die Ausstellung eines auf die in Deutschland befindlichen Nachlassgegenstände beschränkten Erbscheins. Das Gericht lehnte dies jedoch ab, da es der Ansicht war, dass die Gerichte in Frankreich dafür zuständig seien, da der Erblasser eben dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Der Fall landete beim Europäischen Gerichtshof, der entschied, dass die Zuständigkeitsregelung in der EuErbVO für den gesamten Nachlass gilt – somit auch für solche Verfahren, die nicht zum Erlass einer judiziellen Entscheidung führen. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Erbfolge und entspricht dem Gedanken der EuErbVO von der Schaffung einer einheitlichen Regelung für Erbfälle mit grenzüberschreitendem Bezug sowohl bei streitigen als auch bei außerstreitigen Verfahren.

Hinweis: Die EuErbVO sieht vor, dass für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. In der Rechtsprechung war jedoch bislang umstritten, ob der Begriff „Entscheidungen“ auch die Ausstellung nationaler Nachlasszeugnisse wie Erbscheine oder Testamentsvollstreckerzeugnisse umfasst.

Quelle: EuGH, Urt. v. 21.06.2018 – C-20/17

zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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Häufig haben erbrechtliche Angelegenheiten einen grenzüberschreitenden Bezug – etwa wenn der Nachlass sich in verschiedenen Ländern befindet oder der Erblasser eine andere Staatsangehörigkeit hat, aber in Deutschland lebt. Für die Regelung solcher Sachverhalte gibt es in den EU-Mitgliedstaaten die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO). Die EuErbVO trifft dabei keine eigenen inhaltlichen Regelungen, sie bestimmt nur, welche nationale Erbrechtrechtsordnung auf einen Erbfall mit EU-Auslandsbezug zur Anwendung kommt.


Der Erblasser war französischer Staatsbürger, der in Frankreich lebte. Er hinterließ seinen beiden Söhnen einen Nachlass, der sich sowohl in Frankreich als auch in Deutschland befand. Einer der Söhne beantragte daraufhin beim Berliner Amtsgericht Schöneberg die Ausstellung eines auf die in Deutschland befindlichen Nachlassgegenstände beschränkten Erbscheins. Das Gericht lehnte dies jedoch ab, da es der Ansicht war, dass die Gerichte in Frankreich dafür zuständig seien, da der Erblasser eben dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.


Der Fall landete beim Europäischen Gerichtshof, der entschied, dass die Zuständigkeitsregelung in der EuErbVO für den gesamten Nachlass gilt – somit auch für solche Verfahren, die nicht zum Erlass einer judiziellen Entscheidung führen. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Erbfolge und entspricht dem Gedanken der EuErbVO von der Schaffung einer einheitlichen Regelung für Erbfälle mit grenzüberschreitendem Bezug sowohl bei streitigen als auch bei außerstreitigen Verfahren.


Hinweis: Die EuErbVO sieht vor, dass für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. In der Rechtsprechung war jedoch bislang umstritten, ob der Begriff „Entscheidungen“ auch die Ausstellung nationaler Nachlasszeugnisse wie Erbscheine oder Testamentsvollstreckerzeugnisse umfasst.



Quelle: EuGH, Urt. v. 21.06.2018 – C-20/17

zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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[:de]Testament statt Teilungsanordnung: Erblassern steht eine ungleichmäßige Berücksichtigung ihrer Kinder zu deren Nachteil zu[:en]No translation available[:]

[:de]Weist ein Erblasser in seinem Testament bestimmte Vermögenswerte den einzelnen Erben zu, stellt sich immer wieder die Frage, ob dies als Erbeinsetzung, als Vermächtnis oder als Teilungsanordnung zu verstehen ist.

Eine verwitwete Frau erstellte ein notarielles Testament, in dem sie ihre drei Kinder zu gleichen Teilen als Erben einsetzte. Kurz darauf verfasste sie noch ein privatschriftliches Testament, in dem sie das notarielle Testament widerrief und genau ausführte, welche Grundstücke welches Kind bekommen solle und dass das Barvermögen zu gleichen Teilen aufzuteilen sei. Zwei der Kinder – die Söhne – beantragten nach dem Tod der Frau einen Erbschein, der sie als Erben zu jeweils ca. 42 % auswies, während das dritte Kind – eine Tochter – ca. 16 % erhalten sollte. Dies ergab sich aus dem Wert der im privatschriftlichen Testament zugedachten Grundstücke. Die Tochter wehrte sich dagegen und trug vor, dass das privatschriftliche Testament nur als Teilungsanordnung zu verstehen sei, die Mutter alle drei Kinder gleich bedenken wollte und dieser einfach nicht klar gewesen sei, dass die Zuweisung der einzelnen Grundstücke zu einem erheblichen Wertunterschied führen würde.

Das Gericht sah das allerdings anders. Es führte aus, dass das notarielle Testament wirksam widerrufen wurde und dass davon auszugehen ist, dass die Frau auch den Wert des größten vererbten Grundstücks kannte, da sie es in der Vergangenheit hatte schätzen lassen. Nach Auffassung des Gerichts lag auch keine Teilungsanordnung vor, da ein Wille, die Kinder ungeachtet der Zuordnung konkreter Gegenstände weiterhin zu je einem Drittel als Erben einzusetzen, im privatschriftlichen Testament nicht deutlich wird. Hätte die Frau das gewollt, hätte es nahegelegen, die Tochter beim Barvermögen entsprechend stärker zu bedenken oder jedenfalls eine Pflicht zum Ausgleich unter den Geschwistern ausdrücklich festzuhalten. Wenn ein Erblasser durch eine letztwillige Verfügung seine gesamten Vermögensgegenstände einzeln und in unterschiedlichem Wert seinen Kindern zugewendet hat, ist zudem regelmäßig von der Anordnung unterschiedlicher Erbquoten und nicht von der Anordnung von Vorausvermächtnissen bei gleichen Erbquoten auszugehen.

Hinweis: Mit einer Teilungsanordnung kann ein Erblasser bestimmen, wie und an wen bestimmte Nachlassgegenstände verteilt werden sollen. Die Teilungsanordnung verändert aber nicht die Erbquoten der Erben. Erhält ein Miterbe aufgrund der Teilungsanordnung einen bestimmten Nachlassgegenstand, dessen Wert höher ist als seine Erbquote, muss er den Mehrwert gegenüber seinen Miterben ausgleichen. Eine „wertverschiebende“ Teilungsanordnung gibt es also nicht. Soll ein Miterbe also bevorzugt werden, kann der Erblasser ihm ein Vorausvermächtnis zuwenden, das er vor Teilung des Nachlasses erhält und das den gesamten Nachlass somit im Wert verringert.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.06.2018 – 8 W 198/16

zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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Rechtsanwalt München

Personenstandsrecht: Das Recht eines Witwers auf Änderungen im Sterberegister ist stark begrenzt

[:de]Im Sterberegister wird neben dem Namen des Verstorbenen unter anderem auch dessen Geburtsort notiert. Was passiert, wenn hierzu Unstimmigkeiten auftauchen, und ob der Ehegatte eine entsprechende Korrektur verlangen kann, hatte vor kurzem der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden.

Die 1935 in Falkenberg geborene Frau verstarb 2015. Bei ihrer Geburt gehörte das niederschlesische Falkenberg zum Gebiet des damaligen Deutschen Reichs. Heute liegt der Ort in Polen und heißt Sokolec. Letztlich wurde daraufhin ins Sterberegister als Geburtsort „Falkenberg (Sokolec), Niederschlesien“ eingetragen. Gegen diesen Eintrag legte der Witwer Beschwerde mit dem Ziel ein, den in Klammern gesetzten Zusatz „Sokolec“ streichen zu lassen.

Der BGH wies die Beschwerde des Witwers jedoch mit der Begründung zurück, dass der Mann überhaupt keine Beschwerdeberechtigung hat. Das eigene Recht des Witwers ist durch die zusätzliche Eintragung des heutigen polnischen Ortsnamens nicht betroffen, betroffen war lediglich ein Recht der verstorbenen Frau. Hat der Mann seine Frau beerbt, bleibt dies ohne Auswirkung auf diese Rechtsfrage. Denn hier geht es um das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Frau in höchstpersönlicher Form – und das ist unvererblich. Einen allgemeinen Grundrechtsschutz kann der Mann hier auch nicht geltend machen, da dieser (Art. 2 und Art. 1 Grundgesetz) nur für Lebende besteht. Auch das Recht des Mannes auf ungestörtes Andenken der Verstorbenen wurde nicht verletzt, da dies eine Verunglimpfung voraussetze, die ersichtlich durch den Hinweis auf die polnische Ortsbezeichnung heutzutage nicht vorliegt.

Hinweis: Immer wieder gibt es Unsicherheiten, wenn Registereintragungen zu erfolgen haben, bei denen der Geburtsort zu notieren ist und dieser zum Geburtszeitpunkt anders lautete als zum Zeitpunkt der Eintragung oder der Ort damals gar einem anderen Land zugeordnet war. Dem Rechtssuchenden ist zu raten, sich sogleich kundigen Rat einzuholen, weil – wie zu sehen – später eventuell keine Korrekturmöglichkeit mehr besteht.

Quelle: BGH, Beschl. v. 25.04.2018 – XII ZB 414/16

zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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Im Sterberegister wird neben dem Namen des Verstorbenen unter anderem auch dessen Geburtsort notiert. Was passiert, wenn hierzu Unstimmigkeiten auftauchen, und ob der Ehegatte eine entsprechende Korrektur verlangen kann, hatte vor kurzem der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden.


Die 1935 in Falkenberg geborene Frau verstarb 2015. Bei ihrer Geburt gehörte das niederschlesische Falkenberg zum Gebiet des damaligen Deutschen Reichs. Heute liegt der Ort in Polen und heißt Sokolec. Letztlich wurde daraufhin ins Sterberegister als Geburtsort „Falkenberg (Sokolec), Niederschlesien“ eingetragen. Gegen diesen Eintrag legte der Witwer Beschwerde mit dem Ziel ein, den in Klammern gesetzten Zusatz „Sokolec“ streichen zu lassen.


Der BGH wies die Beschwerde des Witwers jedoch mit der Begründung zurück, dass der Mann überhaupt keine Beschwerdeberechtigung hat. Das eigene Recht des Witwers ist durch die zusätzliche Eintragung des heutigen polnischen Ortsnamens nicht betroffen, betroffen war lediglich ein Recht der verstorbenen Frau. Hat der Mann seine Frau beerbt, bleibt dies ohne Auswirkung auf diese Rechtsfrage. Denn hier geht es um das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Frau in höchstpersönlicher Form – und das ist unvererblich. Einen allgemeinen Grundrechtsschutz kann der Mann hier auch nicht geltend machen, da dieser (Art. 2 und Art. 1 Grundgesetz) nur für Lebende besteht. Auch das Recht des Mannes auf ungestörtes Andenken der Verstorbenen wurde nicht verletzt, da dies eine Verunglimpfung voraussetze, die ersichtlich durch den Hinweis auf die polnische Ortsbezeichnung heutzutage nicht vorliegt.


Hinweis: Immer wieder gibt es Unsicherheiten, wenn Registereintragungen zu erfolgen haben, bei denen der Geburtsort zu notieren ist und dieser zum Geburtszeitpunkt anders lautete als zum Zeitpunkt der Eintragung oder der Ort damals gar einem anderen Land zugeordnet war. Dem Rechtssuchenden ist zu raten, sich sogleich kundigen Rat einzuholen, weil – wie zu sehen – später eventuell keine Korrekturmöglichkeit mehr besteht.



Quelle: BGH, Beschl. v. 25.04.2018 – XII ZB 414/16

zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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Rechtsanwalt München

Verfahrensfehler ohne Verfahrenspfleger: BGH stellt sich schützend vor Betroffene bei Schnellschüssen in Sachen Betreuerbestellungen

[:de]Psychische Erkrankungen sowie körperliche, geistige oder seelische Behinderungen können dazu führen, dass die Bestellung eines Betreuers erforderlich wird. Steht eine solche Betreuerbestellung erst einmal im Raum, sieht sich der Betroffene womöglich nur unzureichend dazu in der Lage, seine Situation darzustellen und seine Recht zu wahren. Wer Menschen in solchen Situationen hilfreich zur Seite stehen kann, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) im folgenden Fall zu klären.

Eine 37-Jährige litt unter einer schweren paranoid-halluzinatorischen Psychose und war nicht in der Lage, komplexe Sachverhalte zu überblicken und zu regeln. Daher sollte für sie eine Betreuung eingerichtet werden. Anwaltlichen Rat holte sich die Frau jedoch nicht ein. Die Frage, ob nun aufgrund des Gesundheitsbefunds gegen den Willen der Frau eine Betreuung eingerichtet und ein Betreuer bestellt werden durfte, verneinte der BGH jedoch ausdrücklich.

Betroffenen ist vor der Entscheidung über deren Betreuung ein Verfahrenspfleger zu bestellen und an die Seite zu geben, der ihre Interessen vertritt. Dies sieht das Gesetz so vor. Wenn diese notwendige Bestellung eines Verfahrenspflegers unterbleibt, liegt ein Verfahrensfehler vor – eine womöglich bereits erfolgte Betreuerbestellung ist dann aufzuheben. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Betreuung für alle wesentlichen Lebensbereiche geprüft wird und im Einzelfall möglich ist. Dabei ist nicht etwa ausschlaggebend, dass die infrage stehende Betreuung den Betroffenen weitestmöglich betrifft. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Betreuung dem Betroffenen in seiner konkreten Lebensgestaltung keinen nennenswerten eigenen Handlungsspielraum mehr belässt.

Hinweis: Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass der Gesetzgeber wie auch der BGH den Schutz von psychisch, geistig, körperlich oder seelisch Kranken sehr ernst nimmt. Dennoch sollte sich jeder, der dazu in der Lage ist, rechtzeitig überlegen, ob er nicht eine Vorsorgevollmacht und/oder Patientenverfügung erstellt, in der er selber bestimmt, wer für ihn handelt, sobald er selber dazu plötzlich nicht mehr in der Lage ist.

Quelle: BGH, Beschl. v. 25.04.2018 – XII ZB 528/17

zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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Psychische Erkrankungen sowie körperliche, geistige oder seelische Behinderungen können dazu führen, dass die Bestellung eines Betreuers erforderlich wird. Steht eine solche Betreuerbestellung erst einmal im Raum, sieht sich der Betroffene womöglich nur unzureichend dazu in der Lage, seine Situation darzustellen und seine Recht zu wahren. Wer Menschen in solchen Situationen hilfreich zur Seite stehen kann, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) im folgenden Fall zu klären.


Eine 37-Jährige litt unter einer schweren paranoid-halluzinatorischen Psychose und war nicht in der Lage, komplexe Sachverhalte zu überblicken und zu regeln. Daher sollte für sie eine Betreuung eingerichtet werden. Anwaltlichen Rat holte sich die Frau jedoch nicht ein. Die Frage, ob nun aufgrund des Gesundheitsbefunds gegen den Willen der Frau eine Betreuung eingerichtet und ein Betreuer bestellt werden durfte, verneinte der BGH jedoch ausdrücklich.


Betroffenen ist vor der Entscheidung über deren Betreuung ein Verfahrenspfleger zu bestellen und an die Seite zu geben, der ihre Interessen vertritt. Dies sieht das Gesetz so vor. Wenn diese notwendige Bestellung eines Verfahrenspflegers unterbleibt, liegt ein Verfahrensfehler vor – eine womöglich bereits erfolgte Betreuerbestellung ist dann aufzuheben. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Betreuung für alle wesentlichen Lebensbereiche geprüft wird und im Einzelfall möglich ist. Dabei ist nicht etwa ausschlaggebend, dass die infrage stehende Betreuung den Betroffenen weitestmöglich betrifft. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Betreuung dem Betroffenen in seiner konkreten Lebensgestaltung keinen nennenswerten eigenen Handlungsspielraum mehr belässt.


Hinweis: Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass der Gesetzgeber wie auch der BGH den Schutz von psychisch, geistig, körperlich oder seelisch Kranken sehr ernst nimmt. Dennoch sollte sich jeder, der dazu in der Lage ist, rechtzeitig überlegen, ob er nicht eine Vorsorgevollmacht und/oder Patientenverfügung erstellt, in der er selber bestimmt, wer für ihn handelt, sobald er selber dazu plötzlich nicht mehr in der Lage ist.



Quelle: BGH, Beschl. v. 25.04.2018 – XII ZB 528/17

zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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Sittenwidrigkeit eines Pflichtteilsverzichts: Für eine Übervorteilung bei einem Pflichtteilsverzichtsvertrag müssen gewichtige Gründe sprechen

[:de]Die Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichts ist ein beliebtes Mittel, um Vermögenswerte zusammenzuhalten und nicht unter den Abkömmlingen zu zersplittern. Teilweise wird so ein Verzicht jedoch bewusst zum Nachteil der Abkömmlinge geschlossen, um dabei ihre emotionale und finanzielle Abhängigkeit gezielt auszunutzen.

Eine Frau vereinbarte im Alter von 20 Jahren mit ihren Eltern notariell einen Pflichtteilsverzicht. Im Gegenzug erhielt sie im Zusammenhang mit ihrer Eheschließung am selben Tag ein Hausgrundstück und eine vollständige Wohnungseinrichtung inklusive Wäscheausstattung. Sie war kurz vorher für volljährig erklärt worden, was nach damals geltendem Recht erforderlich war, um heiraten zu können. Die Mutter verstarb einige Jahre später, der Vater erst im Jahr 2016. Nach seinem Tod machte die Frau nun geltend, dass der Pflichtteilsverzicht sittenwidrig war, weil sie damals von ihren Eltern zu diesen Schritten gedrängt wurde und aufgrund ihrer Jugend und Unerfahrenheit die Bedeutung des Verzichts nicht verstanden habe.

Das Gericht wies darauf hin, dass ein Pflichtteilsverzichtsvertrag sittenwidrig sein kann, wenn das fehlende Verständnis, das mangelnde Wissen oder die Unerfahrenheit des Verzichtenden bewusst ausgenutzt werden oder sich eine objektive Unausgewogenheit aus der mit ihm zusammenhängenden Gegenleistung ergibt. In diesem Fall sah das Gericht jedoch keine Anhaltspunkte dafür. Dass die Frau auch insbesondere erstmals nach dem Tod des Vaters – und damit 46 Jahre nach dem Pflichtteilsverzicht – und nicht etwa schon nach dem Tod der Mutter Jahre zuvor die Unwirksamkeit ihres Pflichtteilsverzichts geltend gemacht hatte, sah das Gericht als ein gewichtiges Indiz dafür an, dass sie nicht in sittenwidriger Weise zu dem Verzicht verleitet worden war.

Hinweis: Ein Pflichtteilsverzichtsvertrag kann – wie andere Verträge auch – noch zu Lebzeiten aller Beteiligten wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung angefochten werden. Nach dem Tod des Erblassers kann dann nur noch vorgetragen werden, dass der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist. Zum Schutz vor übereilten Entscheidungen sollte ein solcher Verzichtsvertrag daher zwingend notariell beurkundet werden.

Quelle: LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 23.03.2018 – 6 O 6494/17

zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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Die Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichts ist ein beliebtes Mittel, um Vermögenswerte zusammenzuhalten und nicht unter den Abkömmlingen zu zersplittern. Teilweise wird so ein Verzicht jedoch bewusst zum Nachteil der Abkömmlinge geschlossen, um dabei ihre emotionale und finanzielle Abhängigkeit gezielt auszunutzen.


Eine Frau vereinbarte im Alter von 20 Jahren mit ihren Eltern notariell einen Pflichtteilsverzicht. Im Gegenzug erhielt sie im Zusammenhang mit ihrer Eheschließung am selben Tag ein Hausgrundstück und eine vollständige Wohnungseinrichtung inklusive Wäscheausstattung. Sie war kurz vorher für volljährig erklärt worden, was nach damals geltendem Recht erforderlich war, um heiraten zu können. Die Mutter verstarb einige Jahre später, der Vater erst im Jahr 2016. Nach seinem Tod machte die Frau nun geltend, dass der Pflichtteilsverzicht sittenwidrig war, weil sie damals von ihren Eltern zu diesen Schritten gedrängt wurde und aufgrund ihrer Jugend und Unerfahrenheit die Bedeutung des Verzichts nicht verstanden habe.


Das Gericht wies darauf hin, dass ein Pflichtteilsverzichtsvertrag sittenwidrig sein kann, wenn das fehlende Verständnis, das mangelnde Wissen oder die Unerfahrenheit des Verzichtenden bewusst ausgenutzt werden oder sich eine objektive Unausgewogenheit aus der mit ihm zusammenhängenden Gegenleistung ergibt. In diesem Fall sah das Gericht jedoch keine Anhaltspunkte dafür. Dass die Frau auch insbesondere erstmals nach dem Tod des Vaters – und damit 46 Jahre nach dem Pflichtteilsverzicht – und nicht etwa schon nach dem Tod der Mutter Jahre zuvor die Unwirksamkeit ihres Pflichtteilsverzichts geltend gemacht hatte, sah das Gericht als ein gewichtiges Indiz dafür an, dass sie nicht in sittenwidriger Weise zu dem Verzicht verleitet worden war.


Hinweis: Ein Pflichtteilsverzichtsvertrag kann – wie andere Verträge auch – noch zu Lebzeiten aller Beteiligten wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung angefochten werden. Nach dem Tod des Erblassers kann dann nur noch vorgetragen werden, dass der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist. Zum Schutz vor übereilten Entscheidungen sollte ein solcher Verzichtsvertrag daher zwingend notariell beurkundet werden.



Quelle: LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 23.03.2018 – 6 O 6494/17

zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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Rechtsanwalt München

Zuwendungsverbot: Die Erbeinsetzung einer Pflegedienstmitarbeiterin in einem betreuten Wohnheim ist unwirksam

Zum Schutz von Heimbewohnern ist in den entsprechenden Gesetzen der Bundesländer geregelt, dass das Personal sowie die Leitung solcher Heime von Bewohnern kein Geld annehmen und insbesondere auch keine Erbschaften bekommen dürfen. Dies soll verhindern, dass alte und pflegebedürftige Menschen, die in einem Heim leben, in ihrer Hilf- und Arglosigkeit ausgenutzt werden. In manchen Bundesländern erstreckt sich dieses Verbot auch auf ambulante Pflegedienste.


Eine vermögende Frau war kinderlos. In einem handschriftlichen Testament aus dem Jahr 2008 setzte sie zunächst ihre langjährigen Nachbarn als Erben ein und erteilte diesen auch eine Generalvollmacht. Als die Frau nach einem Schlaganfall im Krankenhaus und in Reha-Behandlung war, hoben die Nachbarn größere Beträge ab und zahlten sie auf ein eigenes Konto ein. Danach kam die Frau in eine betreute Wohngemeinschaft, wo ein Pflegedienst tätig war, der von einer früheren flüchtigen Bekannten der Mutter der Frau gegründet worden war. Diese Bekannte setzte die Frau im Jahr 2010 zu ihrer Alleinerbin ein und widerrief damit das vorige Testament. In der Folgezeit stritten sich die Nachbarn und die Bekannte darum, wer sich um die Frau kümmern sollte, und ließen diese unter Betreuung stellen. Ein Sachverständiger untersuchte dazu auch den Geisteszustand der vermögenden Heimbewohnerin. In einem notariellen Testament aus dem Jahr 2011 setzte die Frau schließlich die Bekannte erneut als Erbin ein.


Das Gericht stütze sich auf das Sachverständigengutachten und entschied, dass das notarielle Testament aus dem Jahr 2011 nichtig ist, da die Frau zu diesem Zeitpunkt aufgrund ihrer Demenzerkrankung bereits testierunfähig war. Das privatschriftliche Testament aus dem Jahr 2010 war ebenfalls nichtig, weil es gegen das Zuwendungsverbot aus dem sogenannten Berliner Wohnteilhabegesetz verstieß. Demnach darf sich das Personal in betreuten gemeinschaftlichen Wohnformen kein Geld oder geldwerte Leistungen versprechen oder gewähren lassen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Bekannte für den Pflegedienst in einer Leitungsfunktion tätig war, dass sie von dem Testament gewusst hatte und dass die Erbeinsetzung aufgrund der besonderen Vertrauensstellung im Heim und nicht aufgrund einer flüchtigen und mehr als 15 Jahre zurückliegenden Bekanntschaft erfolgte. Die Erbeinsetzung der Nachbarn aus dem Jahr 2008 war durch dieses Testament jedoch wirksam widerrufen worden, weil nicht das gesamte Testament, sondern nur die Erbeinsetzung der Bekannten nichtig war. Somit galt die gesetzliche Erbfolge – und keiner der Beteiligten wurde zu Erben.


Hinweis: Vor der Föderalismusreform gab es ein für das gesamte Gebiet gültiges Heimgesetz, das solche Fälle regelte. Die dazu ergangene Rechtsprechung gilt grundsätzlich nun auch für die landesrechtlichen Regelungen weiter. Demnach ist eine Erbeinsetzung zulässig, wenn die einseitige letztwillige Verfügung dem Begünstigten nicht mitgeteilt und gleichsam im Stillen angeordnet worden ist. Bei fehlender Kenntnis des Bedachten ist das Testament stets wirksam. Das Verbot gilt außerdem dann nicht, wenn der Vermögensvorteil mit den im Heimvertrag zugesagten Leistungen nichts zu tun hat. Für dieses Verbot ausreichend ist es aber bereits, wenn der Vermögensvorteil auf Grundlage des durch die Heimunterbringung bestehenden Vertrauensverhältnisses zugewendet wurde. Ein solcher Zusammenhang wird daher stets bis zum Beweis des Gegenteils angenommen.



Quelle: KG, Beschl. v. 12.01.2018 – 6 W 13/17

zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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[:de]Verdacht sexuellen Missbrauchs: Ein Sorgerechtsverfahren kann bis zur Klärung strafrechtlicher Vorwürfe ausgesetzt werden[:en]No translation available[:]

[:de]Sind Eltern gemeinsame Inhaber der elterlichen Sorge über ihre Kinder, kann das Gericht die elterliche Sorge ganz oder teilweise auf einen Elternteil übertragen, sobald sich die Eltern in Fragen von erheblicher Bedeutung nicht einig sind. Einem Elternteil auf diese Weise die elterliche Sorge ganz oder teilweise zu nehmen, soll aber die Ausnahme bleiben. Um aus genau diesem Grund zunächst andere Vorfragen hinreichend klären zu können, kann sich daher die Frage der Aussetzung des Sorgerechtsverfahrens stellen. Mit einer solchen Situation war das Oberlandesgericht Braunschweig auch im folgenden Fall beschäftigt.

Die Mutter beantragte die Übertragung der bisher gemeinsamen elterlichen Sorge für ihre Kinder allein auf sich, nachdem gegen ihren Vater ein Strafverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil einer Tochter geführt wurde. Das betreffende Sorgerechtsverfahren wurde ausgesetzt, um zunächst den Gang und die Ergebnisse des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens abzuwarten. Zur Begründung wurde darauf abgestellt, dass sich im Strafverfahren voraussichtlich wichtige Erkenntnisse zur Erziehungs- und Bindungsfähigkeit beider Eltern ergeben würden sowie zur entscheidenden Frage, in welchem Umfang dem Vater gegebenenfalls noch eine Restsorge zugestanden werden könne. Auch würden die Kinder im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen voraussichtlich angehört. Damit könnten diese Aussagen ohne erneute Anhörung vor dem Familiengericht verwertet werden – ein eindeutiger Vorteil für die Kinder. Aber auch allgemein sei von einer Klärung der Sachlage im Rahmen des Strafverfahrens auszugehen. Im konkret zur Entscheidung anstehenden Fall habe sich gezeigt, dass die Eltern auch unabhängig vom Strafverfahren zu einem gewissen Austausch sowie der Kommunikation hinsichtlich der Kinder in der Lage seien. Deshalb sei der Gang des Ermittlungsverfahrens abzuwarten und das Sorgerechtsverfahren auszusetzen.

Hinweis: Die Aussetzung ist eine Ermessensentscheidung des Gerichts. Die fachkundige Argumentation ist hierbei besonders wichtig. Sie sollte daher auch immer durch einen Fachkundigen erfolgen.

Quelle: OLG Braunschweig, Beschl. v. 06.03.2018 – 1 WF 33/18

zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)[:en]Visit our page at another time[:]

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[:de]Details der Vorsorgevollmacht: Eine nur eingeschränkte Bevollmächtigung kann eine spätere Betreuerbestellung nach sich ziehen[:en]No translation available[:]

[:de]Vorsorgevollmachten haben unter anderem den Sinn, die Bestellung eines unbekannten Dritten zum Betreuer zu verhindern. Dabei ist aber auch wichtig, den genauen Inhalt und Umfang der Vorsorgevollmacht zu regeln. Wie differenziert diese Details zu definieren sind, musste der Bundesgerichtshof (BGH) im folgenden Fall entscheiden.

Eine 94-jährige Frau litt an mittelschwerer Demenz und lebte in einem Pflegeheim. Ihrem Sohn hatte sie Jahre zuvor eine Vorsorgevollmacht erteilt und ihm darin als Aufgabenbereiche die Gesundheitssorge, das Aufenthaltsbestimmungsrecht, den Abschluss eines Miet- und Heimvertrags, die Vertretung gegenüber Behörden sowie den Post- und Fernmeldeverkehr für den Ernstfall übertragen. Nicht erteilt war jedoch die Vollmacht für die Vermögenssorge und freiheitsentziehende Maßnahmen. Nach zwischenzeitlichen Entscheidungen über die Einrichtung einer Betreuung, Einschaltung eines Berufsbetreuers und Abänderungsentscheidungen über den Umfang der Kompetenzen wurde einem Berufsbetreuer schließlich der Aufgabenkreis Vertretung gegenüber Behörden, Einrichtungen und Gerichten, Vermögenssorge, Gesundheitssorge und freiheitsentziehende Maßnahmen übertragen – Letzteres, weil eine Entscheidung über das Hochstellen von Bettgittern zu treffen war.

Der BGH hatte nun zu entscheiden, ob der Sohn das Recht hat, selber Beschwerde gegen die Übertragung des Bereichs freiheitsentziehende Maßnahmen auf den Berufsbetreuer einzulegen – und hat dies verneint. Die Mutter hatte mit ihrer Vorsorgevollmacht ihrem Sohn die Vollmacht für den besonderen Bereich freiheitsentziehende Maßnahmen nicht erteilt. Insoweit lag keine eigene Betroffenheit des Sohns vor, indem das Gericht diesen Bereich auf den Berufsbetreuer übertrug. Die gesetzlich vorgesehene Situation für eine Beschwerde, dass die Mutter beim Sohn lebt bzw. bei Einleitung des gerichtlichen Verfahrens lebte, war ebenso wenig gegeben. Also hatte der Sohn die Entscheidung hinzunehmen.

Hinweis: Vorsorgevollmachten sind wichtig. Die Entscheidung zeigt, dass es auch wichtig ist, nicht einfach irgendein Muster zu nehmen und nach Gutdünken auszufüllen. Eine exakte Beratung ist wichtig; sie kann im Ernstfall entscheidende Folgen mindern.

Quelle: BGH, Beschl. v. 25.04.2018 – XII ZB 282/17

zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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Nachweis im Grundbuchverfahren: Die Vorlage von Klageschrift und Urteil belegt die Inanspruchnahme des Pflichtteils

[:de]Sind Immobilien Teil der Erbmasse, müssen die durch die Erbschaft entstandenen neuen Eigentumsverhältnisse auch im Grundbuch geändert werden. Dazu ist es jedoch erforderlich, den neuen Status dem Grundbuchamt nachzuweisen.

Eine Frau hatte in ihrem Testament angeordnet, dass ihre Söhne nicht Nacherben werden sollten, sobald einer der Söhne oder beide Söhne bzw. deren Abkömmlinge ihre Pflichtteilsansprüche geltend machen. Dies wurde als Nacherbenvermerk auch für ein Grundstück, das zum Erbe gehörte, ins Grundbuch eingetragen. Die Tochter und Vorerbin des Grundstücks wollte dann diesen Vermerk löschen lassen, da die Bedingung für den Eintritt des Nacherbfalls nicht eingetreten ist. Sie legte dem Grundbuch die beglaubigte Abschrift eines Gerichtsprotokolls vor, in dem ein Vergleich zwischen ihr und dem einen Bruder protokolliert war, sowie eine beglaubigte Kopie der Klageschrift und ein Anerkenntnisurteil aus dem Rechtsstreit mit dem anderen Bruder. Damit war nach ihrer Auffassung belegt, dass die Nacherben ihre Pflichtteilsansprüche geltend gemacht hätten und das Grundbuch daher unrichtig sei. Dem Grundbuchamt reichte dies jedoch nicht aus, da aus den Unterlagen nicht hervorginge, ob die Brüder den vollständigen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hätten.

Das Gericht gab der Tochter jedoch Recht. Das Grundbuchamt darf zwar grundsätzlich Testamente prüfen und auslegen. Hier spricht der Wortlaut des Testaments „ihren Pflichtteilsanspruch geltend machen“ dafür, dass schon der ausdrückliche und ernsthafte gerichtliche oder außergerichtliche Versuch, den Pflichtteil zu erhalten, sanktioniert ist – und das unabhängig davon, ob der Fordernde den Pflichtteil auch tatsächlich erhält. Da zudem keine anderweitige Möglichkeit besteht, den Wegfall der Bedingung für die Nacherbschaft nachzuweisen, kann hier die öffentlich beglaubigte Kopie einer Klageschrift auch hinsichtlich des Inhalts des geltend gemachten Anspruchs als ausreichend angesehen werden.

Hinweis: Eintragungen ins Grundbuch dürfen nur vorgenommen werden, wenn sie durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Der Nachweis der Geltendmachung von Ansprüchen lässt sich allerdings in der Regel nicht in dieser Form führen, so dass auch der Nachweis durch andere Urkunden, teilweise sogar im Freibeweisverfahren, zugelassen wird.

Quelle: OLG München, Beschl. v. 23.05.2018 – 34 Wx 385/17

zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2018)

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Sind Immobilien Teil der Erbmasse, müssen die durch die Erbschaft entstandenen neuen Eigentumsverhältnisse auch im Grundbuch geändert werden. Dazu ist es jedoch erforderlich, den neuen Status dem Grundbuchamt nachzuweisen.


Eine Frau hatte in ihrem Testament angeordnet, dass ihre Söhne nicht Nacherben werden sollten, sobald einer der Söhne oder beide Söhne bzw. deren Abkömmlinge ihre Pflichtteilsansprüche geltend machen. Dies wurde als Nacherbenvermerk auch für ein Grundstück, das zum Erbe gehörte, ins Grundbuch eingetragen. Die Tochter und Vorerbin des Grundstücks wollte dann diesen Vermerk löschen lassen, da die Bedingung für den Eintritt des Nacherbfalls nicht eingetreten ist. Sie legte dem Grundbuch die beglaubigte Abschrift eines Gerichtsprotokolls vor, in dem ein Vergleich zwischen ihr und dem einen Bruder protokolliert war, sowie eine beglaubigte Kopie der Klageschrift und ein Anerkenntnisurteil aus dem Rechtsstreit mit dem anderen Bruder. Damit war nach ihrer Auffassung belegt, dass die Nacherben ihre Pflichtteilsansprüche geltend gemacht hätten und das Grundbuch daher unrichtig sei. Dem Grundbuchamt reichte dies jedoch nicht aus, da aus den Unterlagen nicht hervorginge, ob die Brüder den vollständigen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hätten.


Das Gericht gab der Tochter jedoch Recht. Das Grundbuchamt darf zwar grundsätzlich Testamente prüfen und auslegen. Hier spricht der Wortlaut des Testaments „ihren Pflichtteilsanspruch geltend machen“ dafür, dass schon der ausdrückliche und ernsthafte gerichtliche oder außergerichtliche Versuch, den Pflichtteil zu erhalten, sanktioniert ist – und das unabhängig davon, ob der Fordernde den Pflichtteil auch tatsächlich erhält. Da zudem keine anderweitige Möglichkeit besteht, den Wegfall der Bedingung für die Nacherbschaft nachzuweisen, kann hier die öffentlich beglaubigte Kopie einer Klageschrift auch hinsichtlich des Inhalts des geltend gemachten Anspruchs als ausreichend angesehen werden.


Hinweis: Eintragungen ins Grundbuch dürfen nur vorgenommen werden, wenn sie durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Der Nachweis der Geltendmachung von Ansprüchen lässt sich allerdings in der Regel nicht in dieser Form führen, so dass auch der Nachweis durch andere Urkunden, teilweise sogar im Freibeweisverfahren, zugelassen wird.



Quelle: OLG München, Beschl. v. 23.05.2018 – 34 Wx 385/17

zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2018)

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