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[:de]Wechselbezügliche Verfügungen: Witwe darf nach dem Tod des Mannes trotz gemeinschaftlichen Testaments ein eigenes errichten[:en]No translation available[:]

[:de]Ein gemeinschaftliches Testament bindet die (Ehe-)Partner grundsätzlich auch nach dem Tod einer der Partner, so dass der Längerlebende nicht mehr frei über das Vermögen verfügen kann. Dies gilt jedoch nur für wechselbezügliche Verfügungen – also solche, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre und nach dem Willen beider Erblasser miteinander stehen und eben fallen sollen.

Ein Ehepaar hatte ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem es sich gegenseitig zu Erben einsetzte und regelte, dass „der Längerlebende berechtigt (ist), die Schlusserbfolge zu bestimmen“. Nach dem Tod ihres Mannes errichtete die Frau dann ein eigenes, entsprechend einseitiges Testament. Dessen Wirksamkeit zweifelten die Erben jedoch an.

Das Gericht entschied, dass die Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen nicht zur Aufhebung oder Minderung der Testierfähigkeit, sondern bloß zur Beschränkung der Testierfreiheit führt und nicht die formelle Nichtigkeit späterer einseitiger Verfügungen zur Folge hat. Eine spätere einseitige Verfügung ist nur insoweit unwirksam, als sie in Widerspruch zu einer wechselbezüglichen Verfügung steht. Hier war die wechselbezügliche Verfügung jedoch durch den Tod des Ehemannes gegenstandslos geworden, da er sie nicht mehr beerben konnte. Nach dem Tod ihres Ehemannes war die Frau somit nicht mehr an ihre zu seinen Gunsten getroffene Erbeinsetzung aus dem gemeinschaftlichen Testament gebunden und konnte ein eigenes Testament errichten.

Hinweis: In diesem Fall enthielt das gemeinschaftliche Testament nur Regelungen für den ersten Erbfall, so dass der überlebende Ehegatte die Erbfolge nach dem Tod des Partners frei in einem neuen Testament bestimmen konnte. Häufig enthalten solche Testamente jedoch auch Regelungen für die Zeit nach dem Tod des zweiten Partners. Dann muss genau geprüft werden, inwieweit die Regelungen wechselbezüglich sind und welchen Entscheidungsspielraum der Längerlebende dann noch hat.

Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 26.02.2018 – 6 W 4/18

zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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Zuwendungsverbot: Die Erbeinsetzung einer Pflegedienstmitarbeiterin in einem betreuten Wohnheim ist unwirksam

Zum Schutz von Heimbewohnern ist in den entsprechenden Gesetzen der Bundesländer geregelt, dass das Personal sowie die Leitung solcher Heime von Bewohnern kein Geld annehmen und insbesondere auch keine Erbschaften bekommen dürfen. Dies soll verhindern, dass alte und pflegebedürftige Menschen, die in einem Heim leben, in ihrer Hilf- und Arglosigkeit ausgenutzt werden. In manchen Bundesländern erstreckt sich dieses Verbot auch auf ambulante Pflegedienste.


Eine vermögende Frau war kinderlos. In einem handschriftlichen Testament aus dem Jahr 2008 setzte sie zunächst ihre langjährigen Nachbarn als Erben ein und erteilte diesen auch eine Generalvollmacht. Als die Frau nach einem Schlaganfall im Krankenhaus und in Reha-Behandlung war, hoben die Nachbarn größere Beträge ab und zahlten sie auf ein eigenes Konto ein. Danach kam die Frau in eine betreute Wohngemeinschaft, wo ein Pflegedienst tätig war, der von einer früheren flüchtigen Bekannten der Mutter der Frau gegründet worden war. Diese Bekannte setzte die Frau im Jahr 2010 zu ihrer Alleinerbin ein und widerrief damit das vorige Testament. In der Folgezeit stritten sich die Nachbarn und die Bekannte darum, wer sich um die Frau kümmern sollte, und ließen diese unter Betreuung stellen. Ein Sachverständiger untersuchte dazu auch den Geisteszustand der vermögenden Heimbewohnerin. In einem notariellen Testament aus dem Jahr 2011 setzte die Frau schließlich die Bekannte erneut als Erbin ein.


Das Gericht stütze sich auf das Sachverständigengutachten und entschied, dass das notarielle Testament aus dem Jahr 2011 nichtig ist, da die Frau zu diesem Zeitpunkt aufgrund ihrer Demenzerkrankung bereits testierunfähig war. Das privatschriftliche Testament aus dem Jahr 2010 war ebenfalls nichtig, weil es gegen das Zuwendungsverbot aus dem sogenannten Berliner Wohnteilhabegesetz verstieß. Demnach darf sich das Personal in betreuten gemeinschaftlichen Wohnformen kein Geld oder geldwerte Leistungen versprechen oder gewähren lassen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Bekannte für den Pflegedienst in einer Leitungsfunktion tätig war, dass sie von dem Testament gewusst hatte und dass die Erbeinsetzung aufgrund der besonderen Vertrauensstellung im Heim und nicht aufgrund einer flüchtigen und mehr als 15 Jahre zurückliegenden Bekanntschaft erfolgte. Die Erbeinsetzung der Nachbarn aus dem Jahr 2008 war durch dieses Testament jedoch wirksam widerrufen worden, weil nicht das gesamte Testament, sondern nur die Erbeinsetzung der Bekannten nichtig war. Somit galt die gesetzliche Erbfolge – und keiner der Beteiligten wurde zu Erben.


Hinweis: Vor der Föderalismusreform gab es ein für das gesamte Gebiet gültiges Heimgesetz, das solche Fälle regelte. Die dazu ergangene Rechtsprechung gilt grundsätzlich nun auch für die landesrechtlichen Regelungen weiter. Demnach ist eine Erbeinsetzung zulässig, wenn die einseitige letztwillige Verfügung dem Begünstigten nicht mitgeteilt und gleichsam im Stillen angeordnet worden ist. Bei fehlender Kenntnis des Bedachten ist das Testament stets wirksam. Das Verbot gilt außerdem dann nicht, wenn der Vermögensvorteil mit den im Heimvertrag zugesagten Leistungen nichts zu tun hat. Für dieses Verbot ausreichend ist es aber bereits, wenn der Vermögensvorteil auf Grundlage des durch die Heimunterbringung bestehenden Vertrauensverhältnisses zugewendet wurde. Ein solcher Zusammenhang wird daher stets bis zum Beweis des Gegenteils angenommen.



Quelle: KG, Beschl. v. 12.01.2018 – 6 W 13/17

zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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Verfahrensfehler ohne Verfahrenspfleger: BGH stellt sich schützend vor Betroffene bei Schnellschüssen in Sachen Betreuerbestellungen

[:de]Psychische Erkrankungen sowie körperliche, geistige oder seelische Behinderungen können dazu führen, dass die Bestellung eines Betreuers erforderlich wird. Steht eine solche Betreuerbestellung erst einmal im Raum, sieht sich der Betroffene womöglich nur unzureichend dazu in der Lage, seine Situation darzustellen und seine Recht zu wahren. Wer Menschen in solchen Situationen hilfreich zur Seite stehen kann, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) im folgenden Fall zu klären.

Eine 37-Jährige litt unter einer schweren paranoid-halluzinatorischen Psychose und war nicht in der Lage, komplexe Sachverhalte zu überblicken und zu regeln. Daher sollte für sie eine Betreuung eingerichtet werden. Anwaltlichen Rat holte sich die Frau jedoch nicht ein. Die Frage, ob nun aufgrund des Gesundheitsbefunds gegen den Willen der Frau eine Betreuung eingerichtet und ein Betreuer bestellt werden durfte, verneinte der BGH jedoch ausdrücklich.

Betroffenen ist vor der Entscheidung über deren Betreuung ein Verfahrenspfleger zu bestellen und an die Seite zu geben, der ihre Interessen vertritt. Dies sieht das Gesetz so vor. Wenn diese notwendige Bestellung eines Verfahrenspflegers unterbleibt, liegt ein Verfahrensfehler vor – eine womöglich bereits erfolgte Betreuerbestellung ist dann aufzuheben. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Betreuung für alle wesentlichen Lebensbereiche geprüft wird und im Einzelfall möglich ist. Dabei ist nicht etwa ausschlaggebend, dass die infrage stehende Betreuung den Betroffenen weitestmöglich betrifft. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Betreuung dem Betroffenen in seiner konkreten Lebensgestaltung keinen nennenswerten eigenen Handlungsspielraum mehr belässt.

Hinweis: Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass der Gesetzgeber wie auch der BGH den Schutz von psychisch, geistig, körperlich oder seelisch Kranken sehr ernst nimmt. Dennoch sollte sich jeder, der dazu in der Lage ist, rechtzeitig überlegen, ob er nicht eine Vorsorgevollmacht und/oder Patientenverfügung erstellt, in der er selber bestimmt, wer für ihn handelt, sobald er selber dazu plötzlich nicht mehr in der Lage ist.

Quelle: BGH, Beschl. v. 25.04.2018 – XII ZB 528/17

zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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Psychische Erkrankungen sowie körperliche, geistige oder seelische Behinderungen können dazu führen, dass die Bestellung eines Betreuers erforderlich wird. Steht eine solche Betreuerbestellung erst einmal im Raum, sieht sich der Betroffene womöglich nur unzureichend dazu in der Lage, seine Situation darzustellen und seine Recht zu wahren. Wer Menschen in solchen Situationen hilfreich zur Seite stehen kann, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) im folgenden Fall zu klären.


Eine 37-Jährige litt unter einer schweren paranoid-halluzinatorischen Psychose und war nicht in der Lage, komplexe Sachverhalte zu überblicken und zu regeln. Daher sollte für sie eine Betreuung eingerichtet werden. Anwaltlichen Rat holte sich die Frau jedoch nicht ein. Die Frage, ob nun aufgrund des Gesundheitsbefunds gegen den Willen der Frau eine Betreuung eingerichtet und ein Betreuer bestellt werden durfte, verneinte der BGH jedoch ausdrücklich.


Betroffenen ist vor der Entscheidung über deren Betreuung ein Verfahrenspfleger zu bestellen und an die Seite zu geben, der ihre Interessen vertritt. Dies sieht das Gesetz so vor. Wenn diese notwendige Bestellung eines Verfahrenspflegers unterbleibt, liegt ein Verfahrensfehler vor – eine womöglich bereits erfolgte Betreuerbestellung ist dann aufzuheben. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Betreuung für alle wesentlichen Lebensbereiche geprüft wird und im Einzelfall möglich ist. Dabei ist nicht etwa ausschlaggebend, dass die infrage stehende Betreuung den Betroffenen weitestmöglich betrifft. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Betreuung dem Betroffenen in seiner konkreten Lebensgestaltung keinen nennenswerten eigenen Handlungsspielraum mehr belässt.


Hinweis: Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass der Gesetzgeber wie auch der BGH den Schutz von psychisch, geistig, körperlich oder seelisch Kranken sehr ernst nimmt. Dennoch sollte sich jeder, der dazu in der Lage ist, rechtzeitig überlegen, ob er nicht eine Vorsorgevollmacht und/oder Patientenverfügung erstellt, in der er selber bestimmt, wer für ihn handelt, sobald er selber dazu plötzlich nicht mehr in der Lage ist.



Quelle: BGH, Beschl. v. 25.04.2018 – XII ZB 528/17

zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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[:de]Verdacht sexuellen Missbrauchs: Ein Sorgerechtsverfahren kann bis zur Klärung strafrechtlicher Vorwürfe ausgesetzt werden[:en]No translation available[:]

[:de]Sind Eltern gemeinsame Inhaber der elterlichen Sorge über ihre Kinder, kann das Gericht die elterliche Sorge ganz oder teilweise auf einen Elternteil übertragen, sobald sich die Eltern in Fragen von erheblicher Bedeutung nicht einig sind. Einem Elternteil auf diese Weise die elterliche Sorge ganz oder teilweise zu nehmen, soll aber die Ausnahme bleiben. Um aus genau diesem Grund zunächst andere Vorfragen hinreichend klären zu können, kann sich daher die Frage der Aussetzung des Sorgerechtsverfahrens stellen. Mit einer solchen Situation war das Oberlandesgericht Braunschweig auch im folgenden Fall beschäftigt.

Die Mutter beantragte die Übertragung der bisher gemeinsamen elterlichen Sorge für ihre Kinder allein auf sich, nachdem gegen ihren Vater ein Strafverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil einer Tochter geführt wurde. Das betreffende Sorgerechtsverfahren wurde ausgesetzt, um zunächst den Gang und die Ergebnisse des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens abzuwarten. Zur Begründung wurde darauf abgestellt, dass sich im Strafverfahren voraussichtlich wichtige Erkenntnisse zur Erziehungs- und Bindungsfähigkeit beider Eltern ergeben würden sowie zur entscheidenden Frage, in welchem Umfang dem Vater gegebenenfalls noch eine Restsorge zugestanden werden könne. Auch würden die Kinder im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen voraussichtlich angehört. Damit könnten diese Aussagen ohne erneute Anhörung vor dem Familiengericht verwertet werden – ein eindeutiger Vorteil für die Kinder. Aber auch allgemein sei von einer Klärung der Sachlage im Rahmen des Strafverfahrens auszugehen. Im konkret zur Entscheidung anstehenden Fall habe sich gezeigt, dass die Eltern auch unabhängig vom Strafverfahren zu einem gewissen Austausch sowie der Kommunikation hinsichtlich der Kinder in der Lage seien. Deshalb sei der Gang des Ermittlungsverfahrens abzuwarten und das Sorgerechtsverfahren auszusetzen.

Hinweis: Die Aussetzung ist eine Ermessensentscheidung des Gerichts. Die fachkundige Argumentation ist hierbei besonders wichtig. Sie sollte daher auch immer durch einen Fachkundigen erfolgen.

Quelle: OLG Braunschweig, Beschl. v. 06.03.2018 – 1 WF 33/18

zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)[:en]Visit our page at another time[:]

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Grenzüberschreitender Nachlass: Entscheidungen in Erbsachen obliegen dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsorts

[:de]Häufig haben erbrechtliche Angelegenheiten einen grenzüberschreitenden Bezug – etwa wenn der Nachlass sich in verschiedenen Ländern befindet oder der Erblasser eine andere Staatsangehörigkeit hat, aber in Deutschland lebt. Für die Regelung solcher Sachverhalte gibt es in den EU-Mitgliedstaaten die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO). Die EuErbVO trifft dabei keine eigenen inhaltlichen Regelungen, sie bestimmt nur, welche nationale Erbrechtrechtsordnung auf einen Erbfall mit EU-Auslandsbezug zur Anwendung kommt.

Der Erblasser war französischer Staatsbürger, der in Frankreich lebte. Er hinterließ seinen beiden Söhnen einen Nachlass, der sich sowohl in Frankreich als auch in Deutschland befand. Einer der Söhne beantragte daraufhin beim Berliner Amtsgericht Schöneberg die Ausstellung eines auf die in Deutschland befindlichen Nachlassgegenstände beschränkten Erbscheins. Das Gericht lehnte dies jedoch ab, da es der Ansicht war, dass die Gerichte in Frankreich dafür zuständig seien, da der Erblasser eben dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Der Fall landete beim Europäischen Gerichtshof, der entschied, dass die Zuständigkeitsregelung in der EuErbVO für den gesamten Nachlass gilt – somit auch für solche Verfahren, die nicht zum Erlass einer judiziellen Entscheidung führen. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Erbfolge und entspricht dem Gedanken der EuErbVO von der Schaffung einer einheitlichen Regelung für Erbfälle mit grenzüberschreitendem Bezug sowohl bei streitigen als auch bei außerstreitigen Verfahren.

Hinweis: Die EuErbVO sieht vor, dass für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. In der Rechtsprechung war jedoch bislang umstritten, ob der Begriff „Entscheidungen“ auch die Ausstellung nationaler Nachlasszeugnisse wie Erbscheine oder Testamentsvollstreckerzeugnisse umfasst.

Quelle: EuGH, Urt. v. 21.06.2018 – C-20/17

zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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Häufig haben erbrechtliche Angelegenheiten einen grenzüberschreitenden Bezug – etwa wenn der Nachlass sich in verschiedenen Ländern befindet oder der Erblasser eine andere Staatsangehörigkeit hat, aber in Deutschland lebt. Für die Regelung solcher Sachverhalte gibt es in den EU-Mitgliedstaaten die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO). Die EuErbVO trifft dabei keine eigenen inhaltlichen Regelungen, sie bestimmt nur, welche nationale Erbrechtrechtsordnung auf einen Erbfall mit EU-Auslandsbezug zur Anwendung kommt.


Der Erblasser war französischer Staatsbürger, der in Frankreich lebte. Er hinterließ seinen beiden Söhnen einen Nachlass, der sich sowohl in Frankreich als auch in Deutschland befand. Einer der Söhne beantragte daraufhin beim Berliner Amtsgericht Schöneberg die Ausstellung eines auf die in Deutschland befindlichen Nachlassgegenstände beschränkten Erbscheins. Das Gericht lehnte dies jedoch ab, da es der Ansicht war, dass die Gerichte in Frankreich dafür zuständig seien, da der Erblasser eben dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.


Der Fall landete beim Europäischen Gerichtshof, der entschied, dass die Zuständigkeitsregelung in der EuErbVO für den gesamten Nachlass gilt – somit auch für solche Verfahren, die nicht zum Erlass einer judiziellen Entscheidung führen. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Erbfolge und entspricht dem Gedanken der EuErbVO von der Schaffung einer einheitlichen Regelung für Erbfälle mit grenzüberschreitendem Bezug sowohl bei streitigen als auch bei außerstreitigen Verfahren.


Hinweis: Die EuErbVO sieht vor, dass für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. In der Rechtsprechung war jedoch bislang umstritten, ob der Begriff „Entscheidungen“ auch die Ausstellung nationaler Nachlasszeugnisse wie Erbscheine oder Testamentsvollstreckerzeugnisse umfasst.



Quelle: EuGH, Urt. v. 21.06.2018 – C-20/17

zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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[:de]Testament statt Teilungsanordnung: Erblassern steht eine ungleichmäßige Berücksichtigung ihrer Kinder zu deren Nachteil zu[:en]No translation available[:]

[:de]Weist ein Erblasser in seinem Testament bestimmte Vermögenswerte den einzelnen Erben zu, stellt sich immer wieder die Frage, ob dies als Erbeinsetzung, als Vermächtnis oder als Teilungsanordnung zu verstehen ist.

Eine verwitwete Frau erstellte ein notarielles Testament, in dem sie ihre drei Kinder zu gleichen Teilen als Erben einsetzte. Kurz darauf verfasste sie noch ein privatschriftliches Testament, in dem sie das notarielle Testament widerrief und genau ausführte, welche Grundstücke welches Kind bekommen solle und dass das Barvermögen zu gleichen Teilen aufzuteilen sei. Zwei der Kinder – die Söhne – beantragten nach dem Tod der Frau einen Erbschein, der sie als Erben zu jeweils ca. 42 % auswies, während das dritte Kind – eine Tochter – ca. 16 % erhalten sollte. Dies ergab sich aus dem Wert der im privatschriftlichen Testament zugedachten Grundstücke. Die Tochter wehrte sich dagegen und trug vor, dass das privatschriftliche Testament nur als Teilungsanordnung zu verstehen sei, die Mutter alle drei Kinder gleich bedenken wollte und dieser einfach nicht klar gewesen sei, dass die Zuweisung der einzelnen Grundstücke zu einem erheblichen Wertunterschied führen würde.

Das Gericht sah das allerdings anders. Es führte aus, dass das notarielle Testament wirksam widerrufen wurde und dass davon auszugehen ist, dass die Frau auch den Wert des größten vererbten Grundstücks kannte, da sie es in der Vergangenheit hatte schätzen lassen. Nach Auffassung des Gerichts lag auch keine Teilungsanordnung vor, da ein Wille, die Kinder ungeachtet der Zuordnung konkreter Gegenstände weiterhin zu je einem Drittel als Erben einzusetzen, im privatschriftlichen Testament nicht deutlich wird. Hätte die Frau das gewollt, hätte es nahegelegen, die Tochter beim Barvermögen entsprechend stärker zu bedenken oder jedenfalls eine Pflicht zum Ausgleich unter den Geschwistern ausdrücklich festzuhalten. Wenn ein Erblasser durch eine letztwillige Verfügung seine gesamten Vermögensgegenstände einzeln und in unterschiedlichem Wert seinen Kindern zugewendet hat, ist zudem regelmäßig von der Anordnung unterschiedlicher Erbquoten und nicht von der Anordnung von Vorausvermächtnissen bei gleichen Erbquoten auszugehen.

Hinweis: Mit einer Teilungsanordnung kann ein Erblasser bestimmen, wie und an wen bestimmte Nachlassgegenstände verteilt werden sollen. Die Teilungsanordnung verändert aber nicht die Erbquoten der Erben. Erhält ein Miterbe aufgrund der Teilungsanordnung einen bestimmten Nachlassgegenstand, dessen Wert höher ist als seine Erbquote, muss er den Mehrwert gegenüber seinen Miterben ausgleichen. Eine „wertverschiebende“ Teilungsanordnung gibt es also nicht. Soll ein Miterbe also bevorzugt werden, kann der Erblasser ihm ein Vorausvermächtnis zuwenden, das er vor Teilung des Nachlasses erhält und das den gesamten Nachlass somit im Wert verringert.

Quelle: OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.06.2018 – 8 W 198/16

zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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Rechtsanwalt München

[:de]Details der Vorsorgevollmacht: Eine nur eingeschränkte Bevollmächtigung kann eine spätere Betreuerbestellung nach sich ziehen[:en]No translation available[:]

[:de]Vorsorgevollmachten haben unter anderem den Sinn, die Bestellung eines unbekannten Dritten zum Betreuer zu verhindern. Dabei ist aber auch wichtig, den genauen Inhalt und Umfang der Vorsorgevollmacht zu regeln. Wie differenziert diese Details zu definieren sind, musste der Bundesgerichtshof (BGH) im folgenden Fall entscheiden.

Eine 94-jährige Frau litt an mittelschwerer Demenz und lebte in einem Pflegeheim. Ihrem Sohn hatte sie Jahre zuvor eine Vorsorgevollmacht erteilt und ihm darin als Aufgabenbereiche die Gesundheitssorge, das Aufenthaltsbestimmungsrecht, den Abschluss eines Miet- und Heimvertrags, die Vertretung gegenüber Behörden sowie den Post- und Fernmeldeverkehr für den Ernstfall übertragen. Nicht erteilt war jedoch die Vollmacht für die Vermögenssorge und freiheitsentziehende Maßnahmen. Nach zwischenzeitlichen Entscheidungen über die Einrichtung einer Betreuung, Einschaltung eines Berufsbetreuers und Abänderungsentscheidungen über den Umfang der Kompetenzen wurde einem Berufsbetreuer schließlich der Aufgabenkreis Vertretung gegenüber Behörden, Einrichtungen und Gerichten, Vermögenssorge, Gesundheitssorge und freiheitsentziehende Maßnahmen übertragen – Letzteres, weil eine Entscheidung über das Hochstellen von Bettgittern zu treffen war.

Der BGH hatte nun zu entscheiden, ob der Sohn das Recht hat, selber Beschwerde gegen die Übertragung des Bereichs freiheitsentziehende Maßnahmen auf den Berufsbetreuer einzulegen – und hat dies verneint. Die Mutter hatte mit ihrer Vorsorgevollmacht ihrem Sohn die Vollmacht für den besonderen Bereich freiheitsentziehende Maßnahmen nicht erteilt. Insoweit lag keine eigene Betroffenheit des Sohns vor, indem das Gericht diesen Bereich auf den Berufsbetreuer übertrug. Die gesetzlich vorgesehene Situation für eine Beschwerde, dass die Mutter beim Sohn lebt bzw. bei Einleitung des gerichtlichen Verfahrens lebte, war ebenso wenig gegeben. Also hatte der Sohn die Entscheidung hinzunehmen.

Hinweis: Vorsorgevollmachten sind wichtig. Die Entscheidung zeigt, dass es auch wichtig ist, nicht einfach irgendein Muster zu nehmen und nach Gutdünken auszufüllen. Eine exakte Beratung ist wichtig; sie kann im Ernstfall entscheidende Folgen mindern.

Quelle: BGH, Beschl. v. 25.04.2018 – XII ZB 282/17

zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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[:de]Erweiterte Voraussetzungen: BGH macht bei Abänderungsverfahren im Unterhalt eine entscheidende Kehrtwende[:en]No translation available[:]

[:de]Sobald der nach Scheidung zu zahlende Unterhalt geregelt ist, stellt sich die Frage, wie lange diese Entscheidung zu gelten hat. Denn schließlich ändern sich sowohl wirtschaftliche als auch sonstige Verhältnisse im Laufe des weiteren Lebens, was eine Anpassung erforderlich machen könnte. Diesen durchaus sehr komplexen Bereich hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit der folgenden Entscheidung zumindest ein wenig vereinfacht.

1983 heirateten die Ehegatten, 1997 ließen sie sich scheiden. Mit der Scheidung wurde gerichtlich geregelt, in welcher Höhe der Mann Unterhalt an die Frau zu zahlen hatte. In einem Abänderungsverfahren wurde der Betrag 2003 erhöht, in einem weiteren 2009 abermals – allerdings nur für einen kurzen Zeitraum. In einem erneuten Verfahren machte der Mann nun geltend, ab 2016 keinen Unterhalt mehr zahlen zu müssen.

Solche Abänderungsverfahren haben eine Besonderheit: Sie sind keine Neuverfahren, was bedeutet, dass nicht sämtliche bislang relevanten Fakten erneut geprüft werden. Es wird lediglich untersucht, was zum Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung Basis der gerichtlichen Entscheidung war. Und nur, was sich seither verändert hat, kann eine Änderung der gerichtlichen Entscheidung zum Unterhalt nach sich ziehen. Vorliegend hatte die Frau in den Abänderungsverfahren geltend gemacht, es hätten sich Umstände verändert, woraufhin ihr mehr Unterhalt zustünde. Darüber wurde entschieden. Als der Mann dann später geltend machte, jetzt habe er aus Billigkeitsgründen keinen Unterhalt mehr zu zahlen, wendete die Frau ein, dass er dies schon früher hätte geltend machen können, dass jene maßgeblichen Umstände schon früher vorgelegen hätten. In dieser Situation hätte er nicht nur beantragen müssen, dass ihr Antrag auf Erhöhung des bisher zugesprochenen Unterhalts abzuweisen sei; er hätte vielmehr weitergehend beantragen müssen, dass der zugesprochene Unterhalt in den sogenannten Wegfall geraten sei. Mit den für diesen Antrag maßgeblichen Argumenten könne er der Ansicht seiner Exfrau zufolge nun in einem späteren Verfahren nicht mehr kommen.

Der BGH musste die Frau jedoch enttäuschen. Zwar wäre er ihrer Argumentation bislang genau so gefolgt, diese Meinung sei aber nach Ansicht des Gerichts nun nicht mehr vertretbar. Der Mann kann also überraschend geltend machen, aus Billigkeit nicht mehr zahlen zu müssen.

Hinweis: Abänderungsverfahren sind kompliziert und kompetenten Anwälten zu überlassen.

Quelle: BGH, Beschl. v. 11.04.2018 – XII ZB 121/17

zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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